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Die "Astronomische Theorie der Klimaschwankungen" des

Milutin Milankovitch



 

DER SPIEGEL 24/1992

Auslöser der Kalt- und Warmzeiten waren vermutlich winzige Schwankungen der Erdbahn. Schon in den dreißiger Jahren hatte der jugoslawische Astronom Milutin Milankovitch errechnet: Die Erdachse eiert, und außerdem deformiert die Gravitationswirkung der Planeten Jupiter und Saturn die Erdbahn. Die Folge ist ein regelmäßiger, in hunderttausendjährigem Rhythmus schwankender Zyklus der Sonneneinstrahlung.

Damit konnte Milankovitch die regelmäßige Wiederkehr der Eiszeiten richtig beschreiben. Das Ausmaß der Vereisungen jedoch konnte er ebensowenig erklären wie die Geschwindigkeit, mit welcher der Wandel von Eiszeit zu Warmzeit abläuft. Denn die Bohrkerne im Eis beweisen: Das Klima scheint häufig fast unvermittelt zwischen kalten und warmen Zeiten hin- und herzuspringen.

Die vielleicht wichtigste Triebkraft der eiszeitlichen Klimaschocks glauben die Klimaforscher inzwischen in den Meeresströmen des Nordatlantiks geortet zu haben. Dort dringen, etwa auf der Höhe von Island, gewaltige Massen warmen und sehr salzigen Wassers aus mittleren Tiefen an die Meeresoberfläche. An der kalten Polarluft kühlt es rasch ab und heizt dabei die Luft auf. Nach der Abkühlung macht seine Salzlast dieses Wasser so schwer, daß es auf den Ozeangrund sinkt.

Ein Strom, 20mal wasserreicher als alle Flüsse der Erde, fließt auf diese Weise in die Tiefe. Das so entstehende atlantische Tiefenwasser durchspült dann den ganzen Ozeanboden, bis es schließlich in den Tiefenstrudel um die Antarktis mündet. Diese nordatlantische Wärmewalze spielt eine Schlüsselrolle für das Klima der Nordhalbkugel. Der gewaltigen Wärmemenge, die sie an die Ozeanoberfläche fördert, verdankt West-Europa seine ungewöhnlich milden Winter.

Während der Eiszeiten aber, das beweisen die Sedimentablagerungen am Ozeangrund, kommt die Wärmemaschine Nordatlantik zum Stillstand. Erst das erneute Anwerfen der Wasserwalze, so vermuten viele Meeresforscher, zieht jeweils das Ende einer Eiszeit nach sich.

"Die Ozeanzirkulation des Nordatlantiks ist eine Art Flip-Flop-System, das zwischen zwei Zuständen hin- und herzukippen scheint", erklärt Bernhard Stauffer von der Universität in Bern. "Und das Besorgniserregende daran ist, daß wir nicht wissen, wann es wieder flippt."

Sicher ist nur, daß auch die Treibhausgase eine wichtige Rolle im Klimadrama beim Wechsel von Warm- und Eiszeiten spielen. Denn gleichzeitig mit den Temperaturen steigt auch die Konzentration von Kohlendioxid und Methan in der Atmosphäre.

Ob das vom Menschen erzeugte Kohlendioxid das Klima aus seinem gegenwärtigen Gleichgewicht werfen kann, läßt sich anhand der Eisdaten nur schwer entscheiden. Nie im Verlauf der letzten Jahrmillion war die Konzentration des Treibhausgases so hoch wie heute. "Völlig vorhersehbar ist es nicht", warnt Wallace Broecker, der zuerst die Bedeutung der Wärmemaschine Nordatlantik bei der Entstehung von Eiszeiten erkannt hat. "Wir spielen also Russisches Roulett."





 

GEO 11/ 1987 - KLIMA

( AUSZUG )

Süden aus den Alpen bis in das Gebiet des heutigen München. Die eisfreien Gebiete dazwischen waren baumlos. Nur niedrige Tundrapflanzen konnten sich während der kalten, trockenen Jahre, in denen die Jahresmitteltemperaturen um etwa acht bis zehn Grad Celius tiefer lagen als heute, gegen die eisigen Winde behaupten.

Eine der spannendsten Fragen, die sich die Paläoklimatologen stellen, ist: Wie kommt es überhaupt zu Eiszeiten? Bereits 1911 hatte - nach dem Genuß einiger Flaschen Wein - ein junger jugoslawischer Mathematiker einem Freund verkündet, er werde diese Frage ein für allemal beantworten. Mehr als 30 Jahre lang arbeitete Milutin Milankovitch an der Lösung des "kosmischen Problems" und entwickelte die "Orbitaltheorie", die auf Änderungen der Erdbewegung um die Sonne im Laufe von Jahrtausenden basiert:

Die Neigung der Erdachse gegenüber der Umlaufbahn um die Sonne schwankt mit einer Periode von 41 000 Jahren. Je größer der Neigungswinkel, je schräger also die Erdachse, desto stärker bestrahlt die Sonne die Pole. Im Rhythmus von 19 000 und 23 000 Jahren verschiebt sich der Zeitpunkt des Perihel, des Punktes, an dem die Erde auf ihrer Bahn der Sonne am nächsten kommt. Vor 18 000 Jahren, im Höhepunkt der Würmeiszeit, war das der 8. März, heute ist es der 3. Januar. Periodisch alle 100 000 Jahre ändert sich auch die Form der Erdbahn - von einer eher elliptischen in eine eher kreisförmige und wieder zurück.

Aus diesen astronomischen Effekten berechnete Milankovitch die Schwankungen der Sonneneinstrahlung auf die Erde für die letzte Million Jahre. Er ermittelte die Strahlungsminima, also die Zeitpunkte möglicher Eiszeiten. Seine Vorhersagen fanden bei der Auswertung von Bohrkernen aus Gletschereis und Tiefseesedimenten erstaunliche Bestätigungen: Während der letzten Million Jahre hat die Erde etwa zehn größere und 40 kleinere Eiszeiten erlebt, deren Zeitpunkt mit Berechnungen anhand der Orbitaltheorie übereinstimmen.

Nach Milankovitch befinden wir uns jetzt am Ende eines Hauptklimazyklus von 100 000 Jahren, der nach der letzten großen Warmzeit vor etwa 120 000 Jahren begonnen hat, und damit vor dem Eintritt in eine neue Eiszeit. Denn alle 100 000 Jahre tritt nach der Orbitaltheorie ein Strahlungsminimum auf, das den Beginn einer starken Vereisung auslöst. In einem Rückkopplungsprozeß ist das vorhandene Eis daran mitbeteiligt - nach neuen Erkenntnissen der Klimatologen vor allem die ehemals riesigen Eisflächen des relativ äquatornahen tibetischen Hochlandes. Schnee und Firn, eine Vorstufe bei der Eisbildung, reflektieren nach







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