Zurueck - Prospekt 1850 - Ikarus


Gott und die Welt


Gott und die Welt

Ein thermodynamisches Universum endet als kalte, tote Wolke

Eine gravitationelles als gegenwärtiger Kosmos

Hier geht es nicht um den neuheidnischen Animismus, Bäumen, Steinen oder Gewässern Seelen zuzuordnen, sie um Erlaubnis, Vergebung und Schutz zu bitten, und schon gar nicht darum, eine Kugel aus glühendem flüssigem Gestein (oder einen toten Stein wie den Mond) als Lebewesen anzusprechen mit dem Namen 'Gaia'.

Ganz im Gegenteil


Das könnte als abergläubischer Ausdruck eines freischwebenden Bedürfniss nach einem religiösen Anker gesehen werden, wie ihn 'moderne' Menschen einst hatten, aber verloren haben, nur um die daraus folgende innere Leere mit dem Glauben an die eigene Thermodynamik zu füllen - die schon rein theoretisch nicht einmal sich selbst erhalten kann; ein innerer Widerspruch, der so oft glückselig ignoriert wird:

Es ist überraschend, wie viele Menschen sich  absichtlich nicht bewußt zu sein scheinen, daß die Gesetze der Thermodynamik auch für sie selbst unerbittlich gelten, individuell und kollektiv.

"Der Herr gibt, und der Herr nimmt" - 'Europäischer' Mensch bis etwa 1870.

"Der Herr kann bleiben, wo er ist. Ich kann das alles alleine machen" - 'Europäischer' Mensch ab etwa 1870.


Luziferisch, wenn nicht satanisch.


Um es noch einmal zu wiederholen: 'Westler' aller Konfessionen übersehen, daß sie nichts "machen", sondern nur umwandeln, so daß ihre Arbeit der Entropie unterliegt; das einzige, was Menschen "machen" können, ist etwas immaterielles wie Geld, d. h. Schulden hervorrufen.

[ Geld ist ein Ausdruck von Schulden, eins zu eins; ein Dollarschein als gesetzliches Zahlungsmittel ist ein Schuldschein; jemand schuldet jemand anderem etwas dafür, sonst wäre er wertlos. Deshalb sind Berge von Geld so gefährlich; anders als Waren stellen sie Berge von Schulden dar. ]


Ein Blick aus dem Fenster zeigt einem zwei Dinge:

Erstens hat der Mensch seine Umgebung nicht erschaffen; und zweitens versinkt das Universum keineswegs im Chaos, sondern erblüht seit Anbeginn der Zeit - nach unserer eigenen Zeitlinie vor rund 13,5 Milliarden Jahren, und jeden Tag aufs Neue - im "göttlicher", d. h. nicht von Menschenhand geschaffene Ordnung, eine Ordnung, von der wir uns ernähren; sie selbst unterliegt nicht der Entropie.

Aber wie, wenn nicht durch Gott, sondern rein physicalisch, entsteht diese lebenswichtige Ordnung?

Ist das wichtig?

Mehr noch, es ist überlebenswichtig. Der moderne Mensch hat sich an Gottes Stelle gesetzt, kann aber den Anforderungen nicht gerecht werden: Seine Arbeit unterliegt, wie erwähnt, der Entropie und ist daher von externen Quellen abhängig - eine Tatsache, die er seit 1850 leugnet.

Dieser "neue" Glaube an die eigene Ermächtigung, manchmal bis hin zur Hybris oder gar zum Wahn kollektiver Allmacht, weist einen zentralen Fehler auf: ihm fehlt die thermodynamisch notwendige externe Quelle (und Senke).

Diese physische Quelle in das Zentrum der Sonne zu verschieben, um sie aus dem kollektiven Geist zu entfernen, ignoriert dabei die Notwendigkeit einer Quelle für die Sonne selbst - und für die Senke; es ignoriert auch, daß das Leben auf der Erde, wie es jetzt akzeptiert wird, entstanden ist, lange bevor es sich an die Photosynthese als sekundäre Energiequelle anheften konnte.


Wie es jemand anderes formulierte, könnte man so etwas "Angst vor dem Leben" nennen, wenn man paradoxerweise aus lauter Angst einen Todeskult verehrt, in der Hoffnung, dadurch ewig zu leben; und, in religiöser Hinsicht, könnte eine solche (Selbst-) Verehrung durchaus als "satanisch" bezeichnet werden.

Andererseits ist aber auch das Universum als Ganzes nicht "lebendig"; nur ein winziger Bruchteil seines thermodynamischen Randes. Und das ist, für sich alleine genommen, kein Zufall oder Ziel, sondern eine Konsequenz.

Das Wunder (im ursprünglichen Sinne des Wortes) liegt gerade darin, daß es tote Materie war und ist, die dennoch (und wahrscheinlich unvermeidlicherweise) Leben erweckte, und immer noch entstehen läßt - was eine eigentümliche Konsequenz der ihr eigenen (selbstverstärkenden) Selbstorganisation ist; und diese Selbstorganisation findet vor, während und nach dem Leben statt.

Tatsächlich ist es seine Voraussetzung.


Damit wird übrigens Gott - oder zumindest die göttliche, d. h. nicht-menschliche Ordnung der Dinge - zu einer objektiven Realität erklärt, im Gegensatz zu einer subjektiven; was sich sogar darin ausdrücken kann, daß die subjektive Vorstellung von Gott in irgendeiner Form in einigen Religionen - insbesondere den monotheistischen - als Blasphemie angesehen wird; obwohl es für die Menschen sehr schwer ist, etwas, das so schwer zu abstrahieren ist, nicht zu imaginieren, ihm kein Bildnis zu geben, weder als Ganzes noch in seinen verschiedenen Aspekten.


So oder so: Das Leben selbst erzeugt keinen Mehrwert; es ist bereits ein Mehrwert, d. h. ein Ergebnis.

Was durch den (thermodynamischen!) Arbeitsprozeß als "Mehrwert" halluziniert wird, sind Schulden, die seit der Antike einmal pro Generation, oder einmal alle Jubeljahre - deren Abstand durch die Lebenserwartung der jeweils gegenwärtigen Generation bestimmt wird - entweder exportiert oder vernichtet werden müssen, wobei das ganze Vermögen, das durch diese Schulden repräsentiert wird, 1:1 mit vernichtet wird; während die physischen Strukturen intakt bleiben, seien sie primär (gravitationell) oder sekundär (thermodynamisch).

Alles andere könnte als "magisches Denken" bezeichnet werden.

Der wahre Mehrwert des Universums liegt in der Wirkung einer einzigen, physikalischen, allgegenwärtigen, allmächtigen, ewig lenkenden Kraft, die Verfall in Schöpfung und Leblosigkeit in Potential verwandelt - und daß diese Kraft den Menschen nicht zur Verfügung steht (genauer: von ihnen nicht beeinflusst, nur simuliert werden kann) - aber ihre Ergebnisse und Wirkungen schon.

Als Lebewesen sind sie selbst ein solches; aber ihr einziger Beitrag zur Schöpfung liegt in der physischen Masse ihrer Körper, lebendig oder tot, erhalten oder zerfallen, von der Erde getrennt oder zu Staub zurückgekehrt.


Oder, wie Dr. James Tour es formulierte: "Der Wert von etwas liegt in der Anordnung seiner Atome."

Oder sogar die Anordnung innerhalb seiner Atome:

Vom Chaos zur Ordnung, vom Wasserstoff zum Uran


Je weniger zufällig, je unwahrscheinlicher eine solche Anordnung ist, je seltener sie ist, desto wertvoller wird sie wahrscheinlich - zumindest tendenziell. Mit anderen Worten, je mehr sie sich der Annahme einer ständig wachsenden Entropie, Zufälligkeit, Unschärfe und Wahllosigkeit in der materiellen Welt widersetzt.

Sollte nun, wie hier postuliert, die Entropie S nicht als S=Q/T sondern als S=T/Q berechnet werden, so sei es.

Voraussetzung ist es nicht; man könnte auch einfach behaupten, daß 'eine gravitationelle Erhöhung von kosmischem Material nicht den Gesetzen der Thermodynamik folgt, da sie nicht im Ursprung, sondern im Ergebnis thermodynamisch ist' - und es akzeptieren oder bleiben lassen.

Zu beachten ist möglicherweise, daß Gravitationsprozesse aufgrund ihrer Natur den thermodynamischen vorangehen, indem sie das notwendige Potenzial aufbauen, was wiederum eine thermodynamische Reaktion hervorruft; diese thermodynamische Reaktion kann jedoch das zuvor durch die Gravitation erzeugte Potential normalerweise nicht vollständig auf Null ausgleichen, da der Abbauprozeß sich selbst abschwächt; und das mag ein Grund sein, warum das Universum im Laufe der Zeit geordneter wird - nicht weniger geordnet.

Zunächst wird Entropie gravitationell verringert; dann steigt sie über die Thermodynamik wieder an; aber nie (oder weniger wahrscheinlich) auf das frühere Niveau - was zu einem zunehmend geordneten Gesamteffekt führt: Mit der Zeit nimmt die Entropie ab - zumindest dort, wo die Schwerkraft gewirkt hat.

Ein einfaches Beispiel:

Sobald freier Sauerstoff und Kohlenhydrate auf einem Planeten durch indirekte Gravitationstrennung erzeugt und auf bestimmte Konzentrationen angehoben wurden, werden sie mehr oder weniger spontan thermodynamisch rekombinieren; d. h. Wälder werden brennen.

Bevor beide jedoch wieder vollständig zerstört oder abgebaut werden, sinkt ihr Konzentrationsniveau unter das, was zur Aufrechterhaltung der thermodynamischen Reaktion erforderlich ist, und hinterläßt einige Reste von beiden, was mit der Zeit zur Ablagerungen beider führt - und damit zu einem höheres Niveau von Ordnung und Komplexität auf dem Planeten.


Oder noch einfacher:

Sollte dieser Planet platzen, bleiben Uranerzgesteine von einer, ursprünglich aus Rauch und Staub bestehenden Wolke übrig, die wiederum von einem explodierenden ehemaligen Wasserstoffstern übrig blieb.

Wasserstoff hingegen wird nicht aus Uran erzeugt (obwohl dieses in eine Flut anderer Materialien zerfällt):

Das Universum hat eine Richtung.


Aber obwohl die Idee, daß Gravitation die kosmische Ordnung erhöht, weder neu noch revolutionär ist, wäre etwas mehr erforderlich, um ihre Konsequenzen zu verstehen, d. h. die Kathedrale wirklich betreten zu können, um sie zu akzeptieren:

  • Die Wirtschaft müsste möglicherweise akzeptieren, daß sie keine materiellen Werte schaffen kann, sondern dieselben benötigt
  • Religion müsste möglicherweise akzeptieren, daß die Schöpfung ein ewiger und allgegenwärtiger Prozess ist
  • Die Wissenschaft müsste möglicherweise akzeptieren, daß der Zerfall nicht der Primärzustand des Universums ist


Fette Chance…

alle drei sind Eitelkeiten.

Auf der anderen Seite… ist die Akzeptanz nicht wirklich selbst-erniedrigend:

  • Der Grund, warum Menschen keine physikalischen, materiellen Wert schaffen können, ist, daß sie selbst bereits ein solcher sind. Sie sind bereits das Ergebnis eines fortwährenden kreativen Prozesses, von dem sie wiederum Teil sind.
  • Die Tatsache, daß die Schöpfung noch nicht zu Ende ist, in anderen Worten, daß der schöpferische Prozess nicht mit dem Bau dieses bestimmten Planeten, seiner Umgebung und seiner Bewohner, oder des heutigen Universums als Endergebnis begann und endete, macht ihn zu einen umso größeren Prozess, um sich davon als momentanes und lokales Ergebnis zu betrachten, ohne etwas an den Besonderheitet des menschlichen Lebens zu ändern.
  • Das Universum zerfällt nicht: Zu akzeptieren, daß Zerfall notwendigerweise ein sekundärer Zustand der Schöpfung ist, und ebenso (oder höchstwahrscheinlich) die Schöpfung - die Konstruktion einer solchen Ordnung, die zu dem führt, was wir den Kosmos nennen können - die Oberhand behält (oder zumindest dieses als momentanes Ergebnis der letzten Dutzend Milliarden Jahre getan hat), und daher vorherrscht, widerlegt nicht die Gesetze des Universums, wie sie von der Wissenschaft erkannt werden - und wird es auch nicht.

Diese drei Aspekte bilden eine Dreieinigkeit dessen, was den Menschen vom Tier trennt: Religion, Wissenschaft und (wertebasierte) Ökonomie.

Sie bilden auch eine Dreieinigkeit in der Art und Weise, wie sie miteinander verbunden sind: Menschen können keine physischen Werte schaffen, da sie selbst das Ergebnis eines fortlaufenden kreativen Prozesses sind, der von einem sich selbst ordnenden Universum durchgeführt wird, der unter Anderem Menschen hervorbringt; diese müssen sich nicht gegen einen allgemeinen Verfall in ihrer Umgebung stemmen, da das Gegenteil stattfindet; nämlich Schöpfung, von der sie ein Teil sind, ein Wert an sich… und so weiter.

Apropos Trinitäten: die Welt, der Kosmos, das Universum - sie alle beschreiben dasselbe, wenn auch nicht auf dieselbe Weise.


Wir, als Menschen, wie alle Tiere und Maschinen, sogar Pflanzen, gehören zur zerstörerischen Seite der Natur - nicht zur konstruktiven. Wir sind Geschöpfe, keine Schöpfer.

Und der Versuch, durch gezielte "Dekonstruktion" daraus einen Gewinn zu ziehen, macht es nur noch schlimmer:

Sie beweist dieses, indem sie möglich und erfolgreich ist.

Doch wozu?

Und noch ein letzter Gedanke:


Einer der Gründe, warum die Schwerkraft von allen Kräften ziemlich einzigartig ist, ist, daß sie monopolar ist; sie hat keinen abstoßenden Gegenpol, wie man ihn in den bipolaren Bereichen der Elektrizität und des Magnetismus findet.

Könnte es sein, daß dies zu dem ungehinderten, sich selbst verstärkenden, gerichteten und asymmetrischen Ergebnis ihrer Wirkung auf die Materie (genauer gesagt, die aller Materie auf alle Materie) führt, das wiederum zu dem unsymmetrischen, zeitgebundenen, gerichteten, sich ständig weiterentwickelnden, immer geordneteren Kosmos führt, wie er heute wahrgenommen wird.

Die Gravitation, die gänzlich dem Kosmos entspringt, erschafft also wiederum, volkommen darin enthalten, ihren eigenen Antagonisten - die Thermodynamik -, welche die Entropie sofort wieder erhöht, nachdem die Schwerkraft sie verringert hat; aber vielleicht nur bis zu dem Punkt, den die Schwerkraft als stärkere, primäre Kraft "erlaubt".

Aber das ist reine Spekulation.

Zusammengefasst:


Was wir in der Religion als die Schöpfung Gottes betrachten, wird physikalisch durch das erreicht, was wir als "Schwerkraft" bezeichnen - oder ist es umgekehrt?

Macht nichts:

Auch wenn wir beides vielleicht nie völlig verstehen werden, so beschränkt wir auf die physischen Möglichkeiten unseres Gehirns und Verstandes sind: Ob das eine Ausdruck des anderen ist, oder nur Mittel zum Zweck, oder ob die ganze Idee nur eine Projektion ist, einfach ein Bild im Kopf des Betrachters, ist mehr oder weniger ohne Relevanz; da wir das Universum, seine Entstehung und seine Entwicklung als Ganzes vielleicht nie vollständig erfassen können, weil es theoretisch unmöglich ist, eine tatsächliche Begrenzung zu überschreiten.

Von Natur aus blind geborene Kreaturen können Farben nicht wirklich wahrnehmen.

Aber, so gesehen, wäre ein Gebet unter anderem die Bitte um einen spirituellen oder mentalen Zugang zur (gravitationell erzeugten) Ordnung dieser Welt, in deren thermodynamischen Zerfallsbereich wir uns als Lebewesen natürlicherweise befinden.

Na dann:

Endlich frei




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